Ressourcenaufbau – oder was kann ich eigentlich richtig gut?

8. April 2022by Irmhild

In der Regel wissen wir sehr gut, was wir alles nicht können. Wir sind Meister darin, uns immer wieder zu sagen: das kannste nicht, hier gibt es noch Verbesserungspotential und wenn wir uns das regelmäßig sagen, glauben wir es auch noch.

„Glauben Sie nicht alles, was Sie denken“ lautet der Titel eines Buches von Valerija Sipos und Ulrich Schweiger – Die Anleitung für ein gesundes und glückliches Hirn.

Christoph kam ins Lerncoaching, um einmal kennenzulernen, was Lerncoaching überhaupt ist. Als Erstes gab ich ihm eine Übersicht über die Themen, die bearbeitet werden können.

Lernorganisation – Prüfungskompetenz – Ressourcenaufbau – Lernstrategie – Selbstverantwortung – Beziehungen – Motivation

 

Christoph überlegte erst und sagte dann: Ressourcenaufbau, dazu möchte ich gern etwas machen.

Ich fragte ihn als Erstes, in welchem Zusammenhang er dieses Thema sähe. Darauf bekam ich folgende Antwort: Ja, mit dem Lernen das klappt schon ganz gut, ich bin auch strukturiert und organisiert aber ich fühle mich immer so unsicher bei allem, was ich tue. Ständig denke ich: hab ich alles gelernt? Andere wissen viel mehr, hab ich es oft genug gelernt? Was, wenn ich in der Klausur die Fragen nicht richtig verstehe? Ist das wirklich die richtige Antwort?

Diese Fragen sind natürlich gut geeignet, wenn jemand immer besser werden möchte und dadurch zur Hochform aufläuft und dabei das Gefühl bekommt, richtig stark zu werden. Aber für Personen, deren Unsicherheit dadurch größer wird, sind die Fragen nicht hilfreich.

Christoph möchte also mehr über sein Lernverhalten erfahren und wir ermittelten zuerst, welche Lernstrategie bei ihm besonders gut ausgeprägt ist.

Anschließend bat ich ihn, mal in sich zu gehen und zu überlegen, welche Fähigkeiten/ Ressourcen typisch für ihn seien. Er musste erst länger überlegen und schließlich half ihm diese Frage: was würden deine Freunde wohl über dich sagen, wenn ich ihnen diese Frage stellen würde?

Geduld, Organisation, Ausdauer, ich bewege mich gerne – das waren dann die Antworten, die Cristoph sofort einfielen.

Das sind natürliches alles Fähigkeiten, die zum Lernen sehr förderlich sind. Zusammen überlegten wir dann, inwiefern er die Fähigkeiten mit den Lernthemen verbinden könnte. Diese Kombinationen sprangen ihm direkt in die Augen:

  • Lernen mit Bewegung
  • Geduld mit sich selbst, wenn etwas mal nicht so schnell im Kopf bleibt, wie er sich das wünscht
  • Lernen planen und rechtzeitig anfangen

In Studien wurde festgestellt, dass Vokabeln sehr viel leichter behalten werden, wenn sie in Bewegung gelernt wurden. Christoph nahm sich vor, demnächst mit seinem Lernpartner zusammen durch den Wald zu gehen und dort zu lernen.

Für das Lernen zu zweit oder in der Gruppe macht es viel Sinn, vorher Absprachen zu treffen. Folgendes gab ich ihm mit auf den Weg:

  • Was genau soll gelernt werden?
  • Mit welcher Methode soll gelernt werden?
  • Wie lange soll gelernt werden?
  • Wer achtet darauf, dass die Gruppe beim Thema bleibt?
  • Alle bereiten sich auf das Lernthema vor, so dass schon Wissen vorhanden ist

Ohne klare Absprachen wird das Lernen in der Gruppe schnell zur Quatschrunde, zum Kaffeeklatsch und alle sind enttäuscht. Vorbereitung ist also wichtig.

 

Geduld mit sich selbst stellte sich dann doch als einen Faktor heraus, der nicht so leicht zu ändern ist. Christoph erzählte, dass er sich sehr schnell selbst kritisierte, sobald er das Gefühl hatte, dass das Lernen nicht so funktionierte wie er sich das vorstellte.

Ich fragte nach einer Ausnahme: er überlegte lange und erzählte dann, dass er schon sehr lange aus Streichhölzern kleine Kunstwerke baute. Dabei würde es ihm gar nichts ausmachen, wenn er dreimal wieder neu anfangen müsste, weil irgendwas nicht schön genug geklebt ist oder wieder auseinanderfällt. Mit viel Geduld und Ausdauer gelänge es ihm, immer wieder neu anzufangen. Das sei ein ganz schönes Gefühl für ihn und er konnte sich vorstellen, dieses Gefühl für die Lernsituationen zu übernehmen. Immer dann, wenn der Kritiker demnächst in ihm loslegen will, will er versuchen Geduld zu haben und einfach nochmal neu anzufangen.

An dieser Stelle ist sehr schön zu sehen, dass Ressourcen, die jemand in einem anderen Lebensbereich hat, auf jeden Fall für die Lernsituation genutzt werden können. Christoph ging mit einem Rucksack voller Ideen aus dem Lerncoaching und war zuversichtlich, etwas zu verändern.