Rebecca und die Zeit des Studiums im Lockdown
Rebecca sitzt an ihrem Computer und starrt seit 20 Minuten vor sich hin. Sie ist genervt, weil sie das Gefühl hat, nur noch vor dem PC zu sitzen. Sie studiert an der Uni in Göttingen im zweiten Semester Medizin, als alle Unis auf digitale Vorlesungen umschalten müssen. Natürlich ist sie die Arbeit am PC gewohnt und sie ist in dem Bereich fit in der Anwendung der für sie wichtigen Programme.
Auf meine Frage, mit welcher Thematik sie ins Lerncoaching kommt, gibt sie diese Info:
Der Tag hat mehr zu bieten als Lernen.
„Ich habe jetzt einiges ausprobiert aber mir gelingt es einfach nicht dass ich noch etwas anderes in Ruhe machen kann als Uni Arbeit. Viele Vorlesungen sind als Video eingestellt und ich kann mir die Zeit auswählen, wann ich das Video sehen will. Ich könnte den ganzen Tag am PC sitzen und etwas für die Uni machen, aber ich merke, wie ich immer mehr den Überblick verliere und mich alles nur noch stresst. Wenn die Professoren dann gefühlt den ganzen Tag mails schicken mit immer mehr Informationen, werde ich ganz nervös. Ich kann gar nicht mehr abschalten.
Die schönsten Momente im Leben entstehen, wenn man offline ist.
Es wird mir alles zuviel.
Auf meine Frage, welches Ziel sie für das heutige Lernoaching hat, sagt sie: „Ich möchte das Gefühl bekommen, dass ich für die Klausurphase in zwei Monaten gut vorbereitet bin und trotzdem neben der Uni noch Sport machen kann und Zeit zum telefonieren mit meiner Freundin möchte ich haben.“
Durch den digitalen Unterricht, der nicht nur live stattfindet sondern auch in Form von Videos durchgeführt wird, sind viele Studenten in einer völlig neuen Situation. Vor dem Studium war ihr Tag strukturiert durch die Schule, es war klar, wann Lernzeit ist und wann Pause. Manche Menschen sind aus sich heraus sehr strukturiert und können das mühelos auf das Studium in digitaler Form übertragen. Rebecca geht es nicht so. Sie ist gefühlt nur mit Lernen beschäftigt.
Ich frage sie, ob sie so eine anstrengende Zeit des Lernens schon einmal erlebt hat? Ja, 6 Monate vor dem Abitur habe sie auch sehr viel gelernt um den Durchschnitt zu schaffen, der für ein Medizinstudium Voraussetzung ist.
Wo denn der Unterschied gewesen sei zum Studium, frage ich sie? Der Tag sei einfach strukturiert gewesen und das hätte ihr die Vorbereitung auf das Abitur sehr erleichtert.
Ressourcenorientierung steht im Vordergrund
In stressigen Zeiten helfen Abläufe, Fähigkeiten, die bereits bekannt sind.
Danach haben wir dann zusammen einen genauen Plan aufgestellt, wie sie den nächsten Monat voraus planen will, um diese Struktur aus der Schule gezielt auf die Uni Zeit zu übertragen. Hierbei ist es wichtig, realistisch zu planen um auf jeden Fall ein Erfolgserlebnis mit der neuen Methode zu haben. Geholfen hat Rebecca, dass sie immer schon gerne mit Listen gearbeitet hat. Diese gestaltet sie sich visuell ansprechend und hängt sie in ihrem Zimmer in der Wohngemeinschaft auf, in der sie mit drei weiteren Studierenden wohnt. Jeden Dienstag Abend planen die Bewohner der WG zusammen ein gemeinsames Abendessen. Hier wird nicht von der Uni und von der Corona Pandemie geredet, wer davon anfängt, muss allein den Abwasch machen. Dadurch können alle abschalten und zwischendurch entspannen.
Am Sonntag ist Reflektionstag, um zu schauen, ob die letzte Woche gut gelaufen ist und um die nächste Woche zu planen. Rebecca plant mit ihrem Handy Kalender besser ein Video oder eine Vorlesung weniger ein um die Sicherheit zu haben, den Überblick zu behalten. Das ist besser, als ganz viel lernen zu wollen und dann erschöpft und enttäuscht zu sein, nur die Hälfte erreicht zu haben, von dem was geplant war.
Montags und Donnerstags plant sie fest eine Stunde joggen ein, das geht auch im Lockdown. Mit ihrer Freundin verabredet sie sich fest am Samstag Abend zum telefonieren. Ihre Freundin ist froh, da es ihr genauso geht und der Weg in den Club ist sowieso grad nicht möglich.
Nach zwei Monaten erhalte ich eine mail von Rebecca, sie schreibt, das es ihr viel besser gehe. Sie hat wieder das Gefühl, den Überblick zu haben über das, was ansteht und hat viel mehr Motivation zu lernen. Ihren Lernplan hält sie jetzt zu 90% ein. Damit ist sie zufrieden. Sie hat die Planung etwas verändert nach dem ersten Monat, kommt jetzt gut damit zurecht. Die Zeit für die Planung ist auch wesentlich kürzer geworden. Zu ihrer Freundin hat sie jetzt ein noch besseres Verhältnis durch die festen Zeiten am Telefon.